Bild: IJAB/Whightlight Studio Berlin
Zur Vorstellung der Guidelines hatte Youthpart auf den „Marktplatz Europa“ eingeladen. Angesichts der geladenen Gäste hätte es keinen besseren Ort gegeben: Neben dem Schotten Graeme Robertson von der EU-Kommission waren der Brite Rhammel Afflick vom Britischen Youth Council, der Spanier Bruno Del Maso Unamuno von Injuve (Spanish Youth Institute) und Stefan Kühne von der Jugendinformation Österreich (WienXtra) eingeladen. Flankiert wurden sie von Felix Barkhausen vom BMFSFJ und Michael Scholl vom Deutschen Bundesjugendring. Im Anschluss an die Vorstellung der Guidelines diskutierten sie, wie es um die Online-Beteiligung von Jugendlichen in den jeweiligen Ländern bestellt ist. In Großbritannien ist dieser Prozess offenbar deutlich fortgeschritten. Dennoch wünschte sich Afflick, dass Jugendliche noch mehr als bisher die Regeln ihrer Beteiligung definieren können. In Österreich gäbe es vor allem Probleme mit der Dokumentation von Ergebnissen. Und in Spanien sei man geradezu durstig nach einer Möglichkeit, der derzeitigen Jugendbewegung eine echte Beteiligungsmöglichkeit zu bieten. In Deutschland hingegen sei Beteiligung von Jugendlichen sowohl online als auch offline noch immer eine Hemmschwelle. Die Frage nach der Sinnhaftigkeit werde noch viel zu häufig gestellt. Was bringt es? Typisch deutsch. Dabei ist die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen ein Muss, das gesetzlich vorgesehen ist.
Dass Beteiligung sehr gut funktioniert und „etwas bringt“, zeigte eindrücklich Mike Bourquin, Mitarbeiter im Jugendbüro der Verbundgemeinde Offenbach an der Queich. Der Ort ist eine Modellkommune des zu Youthpart gehörenden Projekts „Youthpart lokal“. Dort hat die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen im Jahr 2006 begonnen. Bourquin erzählt, wie viel Überzeugungsarbeit sowohl bei Politikern, Fachkräften als auch Jugendlichen am Anfang geleistet werden musste. „Viele Jugendliche sind schlicht nicht gewohnt, dass sie beteiligt werden. Sie sind skeptisch, warum sie jetzt auf einmal gefragt werden, und sie glauben nicht daran, dass ihre Mehrheiten dann auch wirklich umgesetzt werden.“
Schlimmer als die jugendliche Skepsis vor den Versprechungen der Erwachsenen ist die Angst der Politiker und Behördenmitarbeiter vor vermeintlichem Kontrollverlust. Und auch die Fachkräfte müssen viel dazulernen. Hierbei helfen die im Rahmen von Youthpart erarbeiteten Good-Practice-Beispiele und ein modularisierter Antwortenkatalog auf Fragen, die in allen Beteiligungsprozessen früher oder später auftauchen: Wie kriege ich Jugendliche auf die Plattform? Wie überzeuge ich Kommunalpolitiker? Wie mache ich Pressearbeit? Wichtiger als das Einmaleins der Beteiligung ist jedoch eine Fähigkeit, die auch die besten Guidelines nicht ersetzen können: Die Bereitschaft, Fehler zu machen und nicht auf alles eine Antwort zu haben. Nur so aber kann Neues entstehen.
Die Angst vor Macht- oder Kontrollverlust hatte der Bürgermeister der Verbundgemeinde offenbar nicht. Er war der wichtigste und prominenteste Befürworter von Kinder- und Jugendbeteiligung in seiner Kommune. Ein Glücksgriff: Ein Bürgermeister, der nicht nur den politischen Willen zur Beteiligung von Kindern und Jugendlichen, sondern auch noch Prozesskenntnis mitbringt. „Der wusste, was durch den Rat muss und was nicht“, so Bourquin glücklich.
Über die Jahre hat die Verbundgemeinde so größere Mülleimer an Spielplätzen installiert, einen Fitnessplatz und einen neuen Skatepark gebaut und eine zielgerichtete Anschaffung von Büchereibedarf ermöglicht. Nebenbei hat sie Geld gespart. Und für weniger Vandalismus gesorgt. „Der Spielplatz, den wir vor Jahren zusammen gebaut haben, ist bis heute vandalismusfrei. Unglaublich“, sagt Bourquin. Das passiert, wenn man die Jugend an gesellschaftlichen Prozessen beteiligt? Wahrlich angsteinflößend.
[Text: Maria Reimer]
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Erstellt 12.06.2014 , von Jürgen Ertelt