jung. digital. sozial. – Bericht vom Werkstattgespräch

Spaten, Sandsack oder Verpflegung? Was soll ich mitbringen? Und wo werden am dringendsten noch Helfer gebraucht? Beispiele, in denen sich Jugendliche über das Netz organisieren, gibt es viele: bei der letzten Hochwasserkatastrophe in Deutschland, bei den Unruhen in London oder beim arabischen Frühling.

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Im Rahmen der Stiftungswoche hatte die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung (DKJS) jetzt zum Werkstattgespräch geladen. Unter dem Thema jung. digital. sozial. – Jugendengagement im digitalen Wandel tauschten sich Jugendliche und Erwachsene anhand der DKJS -Programme Think Big und youthpart #lokal über Möglichkeiten, Herausforderungen und Chancen des Internets und der ePartizipation aus. In verschiedenen Themenrunden diskutierten sie darüber, wie sich das Internet zur Beteiligung nutzen lässt. Wie Jugendliche dazu befähigt werden können, sich selbstsicher im Netz zu bewegen. Wie viel Schutz und Anleitung sie überhaupt brauchen. Und welche Rolle Erwachsene als Begleiter spielen können.

Kinder und Jugendliche zum selbstbewussten Umgang mit dem Netz befähigen

„Es gibt in Chemnitz einige Sachen, an denen man sich beteiligen kann, vieles davon ist aber nicht bekannt oder nur einer kleinen Gruppe“, sagt Tim. Er und Martin haben deshalb eine Internetplattform gegründet, auf der sich Initiativen vorstellen und Interessierte Termine und Aktionen finden. Gefördert wird ihr ProjektIch will nicht nach Berlin“ von Think Big. „Wir wollen Jugendliche dazu befähigen, sich selbstbewusst und sicher im Internet zu bewegen. Denn die  digitale Welt bietet eine Vielzahl an neuen Möglichkeiten. So kann man zum Beispiel auf keinem anderen Weg in so kurzer Zeit so viele Menschen erreichen“, erklärt Cornelius Nohl von Telefónica Deutschland, dem Progammpartner von Think Big.

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„Wir nutzen das Internet als Instrument, um Jugendliche zusammenzubringen“, sagt Tim.
Ganz bewusst haben sie sich für die Diskussion „The web is not enough“ – Wie viel offline braucht online?“ entschieden. „Das wird genau die Frage sein, die wir uns in nächster Zeit stellen. Wir haben für unser Projekt nämlich eine Online-Plattform gemacht, weil die einfach für viele zugänglich ist. Da stellt sich aber die Frage, wie viele von den Leuten, die eine Aktion online liken, dann am Ende tatsächlich zu einer Veranstaltung kommen“, erläutert Martin. Auch den anderen Teilnehmern ist dieses Problem bekannt. Oft sei das Interesse groß, die tatsächliche Beteiligung dann aber weit geringer, sind sich alle einig.

In der Diskussion wird zudem schnell klar: Die Themen, die Jugendliche interessieren, finden meist in der analogen Welt statt. Digitale Werkzeuge helfen ihnen aber dabei, Mitstreiter für Projekte zu finden oder sich zu organisieren. Auch Beispiele aus youthpart #lokal bestätigen dies. So haben die Jugendlichen in Offenbach auf der Onlineplattform ypart.eu ein Dorfkino und einen Outdoor-Fitnessplatz geplant oder in Saalfeld über Ideen für Brachflächen in der Stadt abgestimmt. Eine wirkliche Lösung, wie Offline und Online besser verknüpft werden können, finden die Teilnehmenden in den Gesprächen aber nicht. Viel mehr stellen sich ihnen immer neue Fragen. Zum Beispiel: „Was ist denn eigentlich alles Online-Engagement? Zählt ein Like schon als Beteiligung?“

Gelungener Austausch

In Facebook-Posts, kurzen Videos, analogen Twitter-Tweets, und Typopost fassen die Teilnehmenden die Ergebnisse ihrer Diskussion schließlich für die anderen zusammen: Um Kinder und Jugendliche zu einem selbstbewussten Umgang mit dem Internet zu befähigen, sollten sich zum Beispiel erwachsene Begleiter auch als Lernende begreifen und mit den Jugendlichen in einen Austausch treten. Wichtig dafür ist es aber, herkömmliche Lehrer-Schüler-Rollen zu überdenken und die Angst vor dem Kompetenzverlust zu verlieren. „Zu oft wird gesagt, Jugendliche müssen sich darauf einlassen, was wir ihnen anbieten. Dabei sollten wir Erwachsene doch viel eher einen neugierigen Blick darauf haben, wie online Kommunikation zwischen Jugendlichen funktioniert“, findet Jürgen Ertelt von der Fachstelle für internationale Jugendarbeit (IJAB). Auch zu viel Schutz im Internet sei kontraproduktiv, sind sich die Teilnehmenden einig. Statt Verboten und Einschränkungen, sollten Kinder und Jugendliche lernen, sich verantwortungsbewusst im Internet zu bewegen. Vielleicht wären da sogar Fortbildungen und Hilfestellungen für Eltern ein gutes Angebot, damit sie ihre Kinder sinnvoll unterstützen können?

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Und was bleibt schlussendlich von dem Treffen?

„Ich finde das Veranstaltungsformat sehr gut. So hört man von den Erfahrungen anderer und es tauchen Fragestellungen auf, die man selber noch nicht im Fokus hatte“, fasst Jürgen Ertelt seine Eindrücke zusammen. Vor allem die Sicht der jungen Projektmacher auf das Internet findet er interessant. Und Tim und Martin freuen sich, diese andere Perspektive in die Diskussionen der Erwachsenen gebracht zu haben. „Oft haben die anderen in den Gesprächen dann gesagt, ‚ach da haben wir ja gar nicht dran gedacht‘“, sagt Martin und grinst. „Für uns gibt es zum Beispiel diese klare Trennung zwischen Online und Offline nicht mehr. Für unsere Generation ist das eine Welt“, betont er. Nach Berlin sind sie übrigens sehr gerne gekommen, stellen die beiden noch klar. Den Namen „Ich will nicht nach Berlin“ haben sie für ihr Projekt nur gewählt, um auszudrücken, dass man nicht unbedingt in die Hauptstadt gehen muss, um etwas zu bewegen und zu erleben. Auch Chemnitz bietet viele Möglichkeiten. Und das nicht nur online.

  Text/Bild: DKJS, Senem Kaya